Wie werden sexuelle Störungen in der Seocorporel-Sexualtherapie behandelt?

Fokus auf sexuellen Fähigkeiten und Lernschritten
In Sexocorporel-Sexualtherapien wird alles, was ein Mensch sexuell gelernt hat, als Fähigkeit gesehen. Je nach Anliegen zeigen sich Grenzen im sexuellen Lernprozess, die in einem therapeutischen Übungsprojekt, ausgehend von den Fähigkeiten, erweitert werden.

Wichtig für die Grundhaltung im Sexocorporel ist das Verständnis, dass Grenzen gelernter Muster nicht krankhaft oder defizitär sind, sondern Lösungsversuche darstellen, die ursprünglich ihren Sinn besaßen und nun, wenn sie zu Problemen in der Sexualität führen, durch Lernprozesse an die aktuelle Lebenssituation angepasst werden können.

Zum Beispiel hat eine Person vielleicht gelernt, sich auf effiziente Weise bei der Selbstbefriedigung bis zur Entladung zu stimulieren. In der Paarsexualität gelingt ihr das nicht, da sich ihr erlernter Erregungsmodus nicht so einfach in die Praktiken der Paarsexualität übersetzen lässt.

In der Sichtweise von Sexocorporel kann sie, aufbauend auf ihren bereits erworbenen Fähigkeiten, weitere Lernschritte machen, um die Grenzen ihrer Erregungsgewohnheiten zu erweitern und zu lernen, in der Paarsexualität ihre Erregung bis zur Entladung zu steigern. Analog diesem Beispiel lassen sich viele sexuelle Probleme angehen und durch Lernschritte lösen.

Fokus auf direkte Ursachen eines sexuellen Problems
Klinische Erfahrungen zeigen mit aller Deutlichkeit, wie Probleme rund um die Erregungsfunktion (Ejaculatio präcox, Anorgasmien, Erektile Dysfunktion etc.), das sexuelle Begehren, Schmerzen beim Sex, sexuelle Anziehung und Dranghaftigkeit sowie zum Teil auch des Erlebens der Geschlechtsidentität mit Lernschritten auf körperlich-sexueller Ebene zusammenhängen. Im Sexocorporel-Konzept sprechen wir hier von direkten Ursachen.

Oft werden diese nicht beleuchtet, sondern viel mehr werden Beziehungsprobleme, psychische Probleme oder einschneidende Erlebnissen mit der sexuellen Störung in einen direkten Zusammenhang gebracht. Nach dem Entfernen dieser «Hindernisse» sollte sich in dieser Sichtweise die Sexualität spontan entwickeln. Dies entspricht in der Mehrheit der Fälle nicht der sexuellen Realität.

Unterscheidung mentaler und sexueller Gesundheit
Die Mehrheit der Klienten, die wegen ihrer sexuellen Probleme therapeutische Hilfe suchen, ist psychisch gesund. Langjährige klinische Erfahrungen, auch anderer Autoren wie z.B. Helen Kaplan, bestätigen dies.

Umgekehrt sind sexuelle Störungen bei Personen mit psychischen Erkrankungen häufig. Und sexuelle Störung können die psychische Gesundheit eines Menschen oder die Paarbeziehung massiv beeinträchtigen. In Sexocorporel-Sexualtherapien werden auch die indirekten Ursachen evaluiert, da sie etwa sexuelle Lernschritte behindern und eventuell einer spezialisierten Behandlung bedürfen.

Genaue Evaluation der Komponenten
Das Evaluationsgespräch geht aus vom Anliegen der Person. Wir legen den Fokus auf die Information, die relevant ist für das Verständnis des sexuellen Funktionierens der Person und für ihr sexuelles Problem. Da wahrscheinlich mehr als 80% der sexuellen Probleme direkt mit den Erregungsgewohnheiten zusammen hängen, ist das präzise Erheben des Erregungsmodus und des Bezugs der Person zum eigenen Genitale ein zentraler Bestandteil praktisch jeder Evaluation.

Ebenso ist es meist sinnvoll, sich den Ablauf einer typischen sexuellen Begegnung im Paar so genau schildern zu lassen, dass man sie vor dem inneren Auge sehen kann. Dabei leistet das Aufzeichnen der Erregungskurve gute Dienste.

Bei der Evaluation, die sich in der Regel über mehrere Sitzungen hinzieht, werden die einzelnen Komponenten der Sexualität in Zusammenhang mit dem geschildernden Anliegen beleuchtet. Die Puzzlestücke aus der Evaluation werden nicht nur gesammelt sondern auch geordnet und zusammengesetzt, dh. in logischen Zusammenhang gestellt. Die Evaluation erfolgt primär im Hier und Jetzt. Aspekte der sexuellen Lerngeschichte können zum Verständnis der heutigen Situation beitragen.

Im Verlauf der Evaluation werden erste Hypothesen über das sexuelle Funktionieren der Person aufgestellt. Dadurch erhalten wir Ideen, in welcher Richtung wir weiter fragen wollen, und können die Hypothese entweder verwerfen oder festigen.

Lern- und Übungsprozesse anregen und begleiten
Die direkte Ursache sexueller Probleme liegt oft bei Grenzen im sexuellen Lernen. Entsprechend regt die Therapie neue Lernprozesse an. Die Veränderung von Erregungs-, Wahrnehmungs-, Denk- und Interaktionsgewohnheiten wirkt sich intrapsychisch und partnerschaftlich aus. Dabei spielen Exploration und Einüben für die Bildung neuer Gewohnheiten eine zentrale Rolle.

Das Übungskonzept des Sexocorporel ist weit umfassender als viele Übungsprogramme, da es nicht nur die Bereicherung mechanischer Techniken anstrebt, sondern die Person auch auf der emotionalen und der Beziehungsebene erreichen möchte. Es setzt voraus, dass in der Evaluation die ursprünglichen Gewohnheiten und Muster identifiziert und in ihrer Funktion verstanden wurden.